Ingo im Cabrio

Es gibt Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen, von Verschwörern, von rechts, von links. Ich gucke ARD, ZDF, die Dritten, 3sat und arte und ntv und eurosport. Ich höre MDR-Info und Deutschlandfunk. Alles reine West-sender, hier und da winzige Sprenkel Ostgeborener, was Wurst ist, da sie von Wessies lernten wie man es macht. Und zwischen jedem Journalisten und dem Publikum sitzt noch ein Redakteur – das schlimmste Nadelöhr.

Aber ich möchte nicht meckern, ich möchte bewundern. Vor allem die weiße Weste des Westjournalismus. Makellose Demokratie, unbegrenzte Freiheit. Da können sich alle anderen aber mal… nur Platz 11 im Ranking von Reporter ohne Grenzen. 2024 noch 10, aber Angriffe und Einschüchterungen von rechts machen häßliche Flecken. Die weiße Weste ist toll, die leuchtet. Die leuchtet uns den Weg… Zum Beispiel sendet die Tagesschau nur zwei Themen, einmal Krieg, einmal Zukunftsangst, dann zwei Kurznachrichten mit Rücktritt und Gerichtsverfahren, damit Zeit bleibt für einen Trainerwechsel in der Bundesliga, eine Nachricht aus einem Königshaus und ausführlich: das Wetter.

Brächten die noch eine Nachricht über etwas wo Menschen etwas gutes gelingt, ich wäre überfordert. Nach der Tagesschau kommt die Doku. Richtig schön, gesund und deeskalierend für mich: eine Doku mit Ingo Zamperoni über „Italien unter Meloni!“ Der knuffige Halbitaliener fuhr halb privat halb dienstlich durchs halbe Heimatland. Interviewte Landsleute, denen er mit halbem Ohr zuhörte.

Was er ganz tat, komplett geradezu war Cabriofahren. Zwei Drittel des Films, also mehr als die Hälfte, sah ich ihn auf schönen Straßen im Cabrio, mal mit mal ohne Sonnenbrille, mal Wind im Haar, mal keiner, mal fuhr er an der Küste gen Süden von einer Drohne gefilmt, mal saß der Kamera-mann als Beifahrer dabei und Ingo sagte: „Ich fahre weiter in die Lombardei.“ oder „In Umbrien treffe ich den Universitätsprofessor Paolo Maserati.“ oder „Ich fahre zur Adria und treffe mich mit Fischern, bei denen nichts mehr so ist, wie es vorher war.“

Ein Fischer sagt, es war vorher auch schon so, aber ich hoffe, daß es außer mir niemanden auffiel. Die meiste Zeit redete Ingo oder nickte aufmerksam, bevor er wieder ins Cabrio stieg. Professor Maserati hatte er auch nach dem Fortgehen der Jugend aus Italien gefragt, „seit Meloni!“ Der Professor war ähnlich unachtsam gewesen: „Die Jugend geht doch immer fort, vor allem die Begabten.“ Aber Ingo ließ sich nichts anmerken, war ins Cabrio gestiegen, die Sonnenbrille verbarg seinen Zorn, die Drohne filmte die wunderbar, malerische Straße bergan in die Toscana „seit Meloni!“

Ein Bauer und eine Bäuerin auf ihre Harken gestützt, sehen Ingo vorbei-fahren, sagen: „Sieh, das ist der Ingo!“ – „Ja, der Ingo im Cabrio!“ – Hmm einen deutschen Paß und ein Cabrio haben!“ – „Ja, Deutscher sein, das wäre was“ – „Die Deutschen haben den Duce aus dem Campo Imperatore befreit.“ – „Ja, die Deutschen haben ihr Herz auf dem rechten Fleck.“ Ingo lenkt sein Cabrio, als wäre es ein Leichtes.

Es war so ein schöner Film, es gab soviel zu sehen, zu genießen und ich gebe zu, ich habe ihn ohne Ton geguckt… Ob ich mir einen Traum kaputt machen lasse oder nicht, entscheide ich gern selber.

Denn Europa ist im Arsch, Rußland auch, Brasilien holzt ab, im Jemen tobt seit 20 Jahren Krieg, Australien brennt oder hat Hochwasser. Am Great Barrier Riff sterben die Korallen. Hinter all unseren Sorgen und der Wohl-standsverwahrlosung pulst die neoliberale Raserei: Anhäufen, anhäufen, optimieren, nützliches denunzieren, nützliches abschaffen. Die Reichen wollen wissen wie lange das ohne Gegenwehr geht. Spoiler: sehr lange.

Bis die Reichen in Bunkern allein auf dem Planeten sind. Mein Rat an die Reichen: Nicht rausgehen. Nicht rausgehen! Verlaßt nie den Bunker, denn dort wartet Ingo Zamperoni im Cabrio. Mist, ich bin eingenickt.

Ingo fährt gerade durch einen Vorort von Florenz. „Dort treffe ich den Kunsthistoriker Luigi da Vinci.“ Ingo spricht lange, bis er fragt: „Wie ist es nun unter Meloni!“ Da Vinci sagt: „Berlusconi war auch kein Demokrat.“ Ich hab keinen Ton, aber ich kann italienisch Lippenlesen. Ingo sitzt schon wieder im Auto. Solch eine Sonnenbrille kauf ich morgen bei Rossmann.

Der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben.

Oft fährt er mit dem eigenen Fahrzeug viele Kilometer bis zur jener Stelle, an der er seine Arbeit gibt. Fährt zwischen Eiligen, noch Müden, zwischen Cholerikern und Egomanen auf glatten Straßen. Kommt er ungeschoren, unverletzt an, ist schon viel geschafft. Bis 17 Uhr erledigt, vollbringt er nun viel Arbeit, allein oder mit anderen gemeinsam.

Ein Chef, ein Besitzer, ein Abteilungs- oder Teamleiter nimmt sich diese Arbeit und verkauft sie mit reichlich Marge weiter. An einen Abnehmer, bzw. Kunden.

Der Arbeitgeber steigt derweil in sein Auto und fährt mit dem hinterlassenen Versprechen am nächsten Tag wiederzukommen, nach Hause.

Zwischendrin hält er an einer Kaufhalle, einem Supermarkt, einer Mall und erwirbt einige Pizzen und paar Tüten Gummibärchen für die Kinder.

So geht es tagein tagaus, der Arbeitgeber ist zufrieden, seine Arbeit gibt er gern, mit Kunden um Preise verhandeln liegt ihm nicht, gut, daß das der Chef macht.

Aber irgendwann läd der Chef zu einer Feier bei sich zuhause. Der Arbeitgeber zieht sich ein sauberes Hemd und die makellos weißen Turnschuhe an und als er die Adresse erreicht, fällt ihm der Unterkiefer runter: Was für ein Anwesen! Und der verzinkte Zierzaun. Es gibt eine Führung. Er und andere, die ihre Arbeit beim Chef abgeben, durchschreiten eine riesige Garage, in der drei Autokarossen blinken. Ein riesiger Park hinterm Haus. Dann zurück zur Terrasse mit dem 12 Tausend Euro teuren Barbecue-Grillautomat. Der Kollege aus der Kantine steht bereit, in Handschuhen mit gestreifter Weste, hebt den Deckel an und es duften, Schwein, Rind, Kalb, Fisch, Paprikaschoten.

Der Arbeitgeber fährt leicht angetrunken nach Hause und grübelt dabei. Irgendwas überfährt er, eine Katze, ein Marder, ein Waschbär, wer weiß, er hält nicht an. Den Verdacht, daß, die Arbeit anderer nehmen, mehr einbringt, als seine Arbeit hinzugeben, bekommt er nicht beiseite geschoben. Er und seine Frau bezahlen ein Drittel ihres Geldes für die Miete, dann das Auto, Essen, Kleidung, Kinder, zwei Urlaube – alles weg. Die Frau fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie sagt: Das tut mir gut und was, wenn wir noch ein Auto bräuchten?

Und der Chef war heute scheißfreundlich und gutgelaunt am Grill. Sonst beim Arbeitnehmen, zieht er gern mal Fresse und mault herum, als wäre ihm die Arbeit nicht genug oder zu teuer. Die Löhne scheinen ihm persönlich sehr weh zu tun. Hat er auch schonmal so gesagt.

Aber nun sah der Arbeitgeber, was beim Chef an Geld drüber bleibt? Oder hat ihm jemand 500 000 geschenkt, wer?

Einmal hatte ein Arbeitgeber die Anfahrt zum Arbeitgeben nicht überlebt, ein neuer Arbeitgeber, ein starker Raucher, wurde eingestellt. Der hatte eine Selbständigkeit hinter sich. Gern gingen beide Arbeitgeber hinter die Halle, um dem überquellenden Aschenbecher frische Kippen hinzuzufügen. Der Neue berichtete noch ergriffen und etwas nervös von seiner kleinen Firma:

„Also ich war Geber und Nehmer gleichzeitig. Anfangs machte meine Frau die Buchhaltung, aber wir kriegten uns immer in die Haare. Sie rechnete immer zuviel Gewinn und damit wuchsen die Abgaben, das machte mich wahnsinnig. Ich schmiss sie raus und sie brüllte: Falsch, ich gehe!

Dann stapelte sich die Post von Kommune, Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Lieferanten, Stromversorger, Abfallbeseitigung, Autohaus, Wasserwerk, Abwasser… dann hab ich alles Geld abgehoben und bin drei Wochen auf die Kanaren, dann habe ich frisch gebräunt zurückgekehrt den Laden zu gemacht.“

„Naja,“ sagte der andere, „hier gibt es dafür mindestens vier Leute im Büro, Akquise, Finanzen, zwei für EU-Förderungen… „Einer sagte mir, wir kriegen soviel Kohle von der EU, wir bräuchten die Maschinen eigentlich gar nicht mehr anschalten.“

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben. Im Fernsehen beobachtet er Streiks für mehr Lohn. „Kann mir nicht vorstellen, daß bei uns jemand sowas mitmacht“, sagt er zur Frau. Dann hat er doch einen Unfall im Morgennebel. Auto im Arsch, er leichtes Schleudertrauma. Versicherung hält ihn hin. Das Gutachten scheint unvollständig. Aber ein neues Auto muß her. Na gut, kein Urlaub dieses Jahr. Kinder reisen mit den Großeltern. Fuhren sie beide bei geeignetem Wetter Fahrrad, nahmen ne Decke und zu Essen mit, saßen am Waldrand, schauten übers heimatliche Land. War schön.

NGO-Felix mit Liebeskummer

Felix erhielt seinen Spitznamen, den nie jemand in seiner Gegenwart verwendet, weil er in mehreren Initiativen bürgerlichen Aufruhrs engagiert ist. Naturschutzbund, Foodwatch, etwas für Bienen, gegen Atomkraft und Braunkohle, Fairtrade, Stoppt die Pharmamacht, autofreie Innenstädte, Volksbegehren, Rückkehr zur Demokratie…

Er ist ausgebildeter Krankenpfleger und eine Agentur vermittelt ihn als Zeitarbeiter. Er sagt, er kann so viel am Stück arbeiten, einen Monatslohn in zehn Tagen mit je 5 Stunden Bereitschaftsschlaf verdienen.

Beim Konzert einer Speedfolkband traf er Luise. Die Freundin von Tabea, mit der er Krankenpflege gelernt hatte. Sie unterhielten sich toll, total offen und sie küßte ihn auf einem von Linden beschatteten Teil der Straße, damit er nicht in sein Zögern wie in eine Glaskugel blickte, eine Milchglaskugel, kurz: sie nahm die Sache in die Hand, damit er es nicht versemmelte.

Es war ihm schon einmal passiert, daß das Mädchen die Initiative über-nommen hatte und nun wußte er, daß es an ihm lag. Mit der anderen hatte er Schluß gemacht, weil ihm Eifersucht flüsterte: Die will immer und jeden! Bei Luise nahm er sich vor klüger zu agieren. Aber Luise hatte, wie es eine der zu pflegenden Großmütter sagen würde, Hummeln im Po! Fete dort, Festival da, mit Freunden kochen, mal ein Wochenende nach Paris, eines nach Warschau, Demo in Stuttgart, Demo in Berlin usw. Andererseits konnte er sich nicht beschweren. Während seiner 10 Tage Lohnarbeit sandte sie ihm SMS, steckte ihm Kopien von Gutachten in den Briefkasten, warte morgens mit Körnerbrötchen am hinteren Krankenhausausgang, verließ ihn lautlos, wenn er zwei Stunden später berührt-berührt-berührt einschlief.

Es ging 7 Monate lang gut so. Bis sie vom Konzert erzählte, wo die Busse zum Bahnhof ausgefallen und sie mit dem Bandbus mitgefahren waren…

Er war morgens aus der automatischen Tür von Station 22 getreten, hatte gesehen wie über den Ahornbäumen der Nachtregenhimmel aufriß. Ein Riß. Nicht Sonne, sondern Elend, Eiter und Einsamkeit tropften aus dem Riß. Sie war nicht da. Er holte nochmal sein Mobiles heraus, um ein „Komme 10 min später, Liebe!“ zu lesen. Keine Nachrichten. Sollte er anfangen, seine eigene Freundin zu stalken? Der Nachtregen hatte dem Krankenhauspark, der gesamten Stadt gut getan. Die Dächer gewaschen, alle Büsche getränkt, die Erde an Gehwegritzen geöffnet. Ist alles in Ordnung? Wir sind kein Ehepaar, daß sich im Alltag verschleißt, gewöhnt, übersieht oder gar anzuöden beginnt, mahnte er sich. So langsam nahm er nun doch die Morgensonne wahr. Helle taudampfende Frische.

Öffnete zu hause angekommen eine der Webseiten, die er betreute und verlinkte Gutachten der Verbraucherzentrale über Joghurts ohne Vitamine, dafür mit Zucker, Fett und reichlich LKW-Kilometer zum Verkaufsregal. Er beantwortete Emails, belas sich über neue Würmer und Viren, fuhr den Rechner und sich herunter; die Hose blieb neben seinem Drehstuhl liegen. Er schlief ein, ohne etwas gegessen zu haben, mit „Luise!“ auf den trockenen Lippen.

Luise kam am Nachmittag mit einem Geflügeldöner, berichtete ihm hektisch und augenumrändert.

„Warum mußtet Ihr denn unbedingt mit dem Bandbus mitfahren?“

„Na, Isi kennt doch den Schlagzeuger. Außerdem war die Fahrt so toll, das Konzert vorher sowieso und der Elektrogeiger, bei, neben dem ich während der Fahrt saß… war voll nett, so ganz anders und gar nicht abgehoben… Felix siedete und jemand verschraubte den Deckel. Es war später Nachmittag und sie hätte doch den Frühzug kriegen können, müssen… hat ihr der super Elektro- Geiger noch sein Hochbett gezeigt? „Gar nicht abgehoben!“

Kleinkram! Ökologie ist wichtig, unseren Kindern eine lebenswerte Erde übergeben, ein Energiekonzept mit halbem Verbrauch, gleiche Rechte für Rassen und Geschlechter… Luise geht zur Toilette. Felix hat das Radio an: „Lehrerstreik in Frankreich, ein französischer Lehrer sagt gerade: „Für die 20 Prozent Elite, die das Establishment benötigt reicht unser

Bildungssystem aus.“ Felix denkt: Ist es hier nicht genauso? Ökologie benötigt Bildung, Information, die richtige Information. Bildung ist Ländersache. Man müßte als erstes… Er spürt plötzlich und zum ersten Mal, daß er sich mit seinen Vereinen und Initiativen verzettelt. Einzeln zweifelsfrei wichtig, aber seine Kraft und Aufmerksamkeit schlagen an eine Plexiglaswand und zerfasern, wenn auch kompostierbar…

„Elektrogeiger… gar nicht abgehoben… ganz schwarze, so dichte Locken“… Charmeur also auch noch, Zigeuner, äh nein: musikalischer Streichinstrumente-Künstler mit Sinti- und Roma-Hintergrund, Scheiße…

Luise setzt sich dicht neben ihn. „Sind wir zusammen, Luise?“

„Sind wir. Felix, wir sind zusammen.“

Sie neigt ihren Kopf mit dem langen dunkelblonden Haar, das im Sommer von allein helle Strähnchen bildet. Sie läßt ihre grünen Augen mit Flecken von Orange und Braun glitzern. Nur ganz kurz. Dann nimmt sie sein Gesicht in beide Hände, seinen Kopf ohne Locken. Sie tut es so, daß er in ihren Augen nach Lüge sucht, aber begreift, daß er die Lüge schon ins Seegrün hinein tragen müßte, um… „Wir sind zusammen“, sagt er.

Sie küßt ihn aufs Ohr, sieht an die Wand ohne die Wand zu sehen. Er riecht nach Krankenhaus, also zieht sie ihm die Sachen aus. „Im Bandbus mitgefahren!“ hallt es noch in ihm auf und er will sie beinahe hindern, aber dann erfüllt ihn die Gegenwart, die Gegenwart allein. Die Gegenwart trennt Kalkül und kleinliche Erinnerung für drei Stunden vom Netz und im Himmel spielen Geig… Nein: keine Geigen!

Tiefe volle Bässe füllen das Knocheninnere. Bässe als Goldrand an einem teuren Gefäß, nur ist nicht der Rand aus Gold, sondern alles ist warmes Gold. Drums dazu. Bässe und Drums, wie Bauchnabel und Haaransatz, mehr braucht niemand! Gesang? Ach, der Bass singt doch. Der Bass singt, singt. Der Bass singt so nah.

Robbie

Im Kraftwerk J. in der DDR mußte wegen dringend notwendiger Reparaturen am Wochenende ein 500MW-Block herunter gefahren werden. Während der Woche fuhr der Block 535MW. Ein Maschinist sagte mir einmal: „Würden wir statt dieser 535, 470MW fahren, ginge nicht soviel kaputt. Aber Berlin will…“

Robbie galt als faul, genügsam, träge. Ich hatte Gelegenheit, ihn über längere Zeit zu beobachten. Faul war er nicht, ganz gewiß nicht, „faul“ traf es einfach nicht, sagen wir: er vermochte wichtig und unwichtig zu unterscheiden.

Er saß während der Schicht beim Kaffee als Ingenieur zwischen Facharbeitern. Man sah es ihm nicht an. Er legte auch keinerlei Wert darauf.

Sehr wohl aber andere: Wenn in der Nacht zum Montagmorgen der 500MW-Block angefahren wurde und eine wichtige Pumpe nicht ansprang – Pünktlich 6 Uhr mußten 500 MW nach Berlin gemeldet werden – der Brigadier der BMSR-Schicht und ein Maschinist versuchten sich an der Steuerung dieser Pumpe, zogen einen Ingenieur von den Maschinisten hinzu, ohne Ergebnis, das Gerät machte keinen Mucks.

Nach etwa 80 Minuten trat der Brigadier in die Werkstatt: „Robbie, kannst Du mal gucken!“ Robbie drückte sich mit einigem Einsatz aus dem Stuhl: „Habt Ihr schon was gefunden?“ – „Nein.“ – „Okay, ich guck’s mir an.“

Ich lief ihm in gebührendem Abstand nach. Der Schaltschrank stand noch offen. Zeichnungen waren zwischen Gestell und Schaltschrankwand geklemmt. Er zog einige hervor, entfaltete sie auf dem Lichtgitterrost, drei Bahnen Papier, jede vier Meter lang. Er betrachtet kleine Lämpchen im Schaltschrank, leuchtende und jene, die eigentlich leuchten müßten. Dann beugte er sich zu den Zeichnungen, verfolgte mit dem Zeigefinger Abzweigungen vom Hauptstrang, entdeckte, wo diese auf der Zeichnung daneben ankamen, erhob sich, verwendete jenen Zeigefinger die Mitte des Brillenrahmens auf die Nasenwurzel zurückzuschieben… ging zum Schaltschrank, prüfte an irgendeiner Stelle ob Spannung anlag, kehrte zu den Zeichnungen zurück. All das tat er ruhig, bedächtig, konzentriert, eine halbe Stunde lang. Schaltete etwas ein, dann wieder aus, die Brille mußte wieder korrigiert werden, prüfte, beugte sich erneut zu den Zeichnungen, ging zum Schrank zurück, überbrückte Kontakte, sah nach kleinen Leuchten… begab sich zu den Zeichnungen.

Irgendwann gesellte sich zum Umgebungslärm ein Geräusch wie Anlaufen, Antouren, Anfahren… Robbie faltete die Zeichnungen zusammen, fein in Ruhe nacheinander zusammen, steckte sie in den Schaltschrank zurück, schloss die Schaltschranktür, brach auf zur Blockwarte.

Dort stellte er sich neben den hartgesottenen Maschinisten. Beide streiften nun mit ihren Blicken dieselben Meßgeräte. Der Maschinist zusätzlich die Uhr, die ihm sagte, wieviel Zeit bis 6 Uhr verblieb.

„Müßte jetzt gehen“, sagte Robbie. Der Maschinist wandte sich ihm zu, Tsunamies aus Dankbarkeit stürzten aus seinen Pupillen. Dürre Worte verboten sich; neben ihm stand der Messias.

Faul war Robbie nicht, ganz sicher nicht. Er saß gern in einem Stuhl und las.

40 stunden

wolln die nicht mehr gehen

die tolle jugend assis:

hmm ich muß mich ausruhen

work scheiß balance – wir

haben noch was geschafft familie

vernachlässigt gesundheit ruiniert

zu wenig geld gekriegt und: hat’s

uns geschadet – war ne schöne zeit

Geht er morgens vor die Tür

kippt den Kaffeesatz in die Wiese die Träume

der Nacht sind fort Gedanken nun knapp

über Null im Himmel fernes Dröhnen die Sonne

wärmt bereits Wiesenhalme Bodenblätter trinken

Tau grauglänzende Karosse eilt die Straße entlang

hundertzwanzig Pferde für eine Person mit Zielen

verwesender Vernunft und ohne die Fähigkeit

anzukommen am Himmel knattert jetzt die Grenzwacht

samt Wärmebildkamera wir haben so viel zu verlieren

Der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben.

Oft fährt er mit dem eigenen Fahrzeug viele Kilometer bis zur jener Stelle, an der seine Arbeit gibt. Fährt zwischen Eiligen, noch Müden, zwischen Cholerikern und Egomanen auf glatten Straßen. Kommt er ungeschoren, unverletzt an, ist schon viel geschafft. Bis 17 Uhr erledigt, vollbringt er nun viel Arbeit, allein oder mit anderen gemeinsam.

Ein Chef, ein Besitzer, ein Abteilungs- oder Teamleiter nimmt sich diese Arbeit und verkauft sie mit reichlich Marge weiter. An einen Abnehmer, bzw. Kunden.

Der Arbeitgeber steigt derweil in sein Auto und fährt mit dem hinterlassenen Versprechen am nächsten Tag wiederzukommen, nach Hause. Zwischendrin hält er an einer Kaufhalle, einem Supermarkt, einer Mall und erwirbt einige Pizzen und paar Tüten Gummibärchen für die Kinder.

So geht es tagein tagaus, der Arbeitgeber ist zufrieden, seine Arbeit gibt er gern, mit Kunden um Preise verhandeln liegt ihm nicht, gut, daß das der Chef macht.

Aber irgendwann läd der Chef zu einer Feier bei sich zuhause. Der Arbeitgeber zieht sich ein sauberes Hemd und die makellos weißen Turnschuhe an und als er die Adresse erreicht, fällt ihm der Unterkiefer runter: Was für ein Anwesen! Und der verzinkte Zierzaun. Es gibt eine Führung. Er und andere, die ihre Arbeit beim Chef abgeben, durchschreiten eine riesige Garage, in der drei Autokarossen blinken. Ein riesiger Park hinterm Haus. Dann zurück zur Terasse mit dem 12 Tausend Euro teuren Barbecue-Grillautomat. Der Kollege aus der Kantine steht bereit, in Handschuhen mit gestreifter Weste, hebt den Deckel an und es duften, Schwein, Rind, Kalb, Fisch, Paprikaschoten.

Der Arbeitgeber fährt leicht angetrunken nach Hause und grübelt dabei. Irgendwas überfährt er, eine Katze, ein Marder, ein Waschbär, wer weiß, er hält nicht an. Den Verdacht, daß, sich die Arbeit anderer nehmen, mehr einbringt, als sein Arbeit hinzugeben, bekommt er nicht beiseite geschoben. Er und seine Frau bezahlen ein Drittel ihres Geldes für die Miete, dann das Auto, Essen, Kleidung, Kinder, zwei Urlaube – alles weg. Die Frau fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie sagt: Das tut mir gut und was, wenn wir noch ein Auto bräuchten?

Und der Chef war heute scheißfreundlich und gutgelaunt am Grill. Sonst beim Arbeitnehmen, zieht er gern mal Fresse und mault herum, als wäre ihm die Arbeit nicht genug oder zu teuer. Die Löhne scheinen ihm persönlich sehr weh zu tun. Hat er auch schonmal so gesagt.

Aber nun sah der Arbeitgeber, was beim Chef an Geld drüber bleibt? Oder hat ihm jemand 100 000 geschenkt, wer?

Einmal hatte ein Arbeitgeber die Anfahrt zum Arbeitgeben nicht überlebt, ein neuer Arbeitgeber, ein starker Raucher, wurde eingestellt. Der hatte eine Selbständigkeit hinter sich. Gern gingen beide Arbeitgeber hinter die Halle, um dem überquellenden Aschenbecher frische Kippen hinzuzufügen. Der Neue berichtete noch ergriffen und etwas nervös von seiner kleinen Firma:

„Also ich war Geber und Nehmer gleichzeitig. Anfangs machte meine Frau die Buchhaltung, aber wir kriegten uns immer in die Haare. Sie rechnete immer zuviel Gewinn und damit wuchsen die Abgaben, das machte mich wahnsinnig. Ich schmiss sie raus und sie brüllte: Falsch, ich gehe!

Dann stapelte sich die Post von Kommune, Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Lieferanten, Stromversorger, Abfallbeseitigung, Autohaus, Wasserwerk, Abwasser… dann hab ich alles Geld abgehoben und bin drei Wochen auf die Kanaren, dann habe ich frisch gebräunt zurückgekehrt den Laden zu gemacht.“

„Naja,“ sagte der andere, „hier gibt es dafür mindestens vier Leute im Büro, Akquise, Finanzen, zwei für EU-Förderungen… „Einer sagte mir, wir kriegen soviel Kohle von der EU, wir bräuchten die Maschinen eigentlich gar nicht mehr anschalten.“

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben. Im Fernsehen beobachtet er Streiks für mehr Lohn. „Kann mir nicht vorstellen, daß bei uns jemand sowas mitmacht“, sagt er zur Frau. Dann hat er doch einen Unfall im Morgennebel. Auto im Arsch, er leichtes Schleudertrauma. Versicherung hält ihn hin. Das Gutachten scheint unvollständig. Aber ein neues Auto muß her. Na gut, kein Urlaub dieses Jahr. Kinder reisen mit den Großeltern. Fahren sie beide Fahrrad, nehmen ne Decke und zu Essen mit und vögeln mal im Wald. War eigentlich schön…

Im ersten Lebensjahr

Im ersten Lebensjahr ist die Erde vollkommen eben, flach, und ungefähr zwanzig Zentimeter hoch mit dreckigem, kalten Wasser bedeckt. Kinder liegen also im kalten Wasser und die Halsmuskulatur erlaubt es ihnen noch nicht den Kopf anzuheben. So ist Atmen noch nicht möglich. Blicken sie jedoch durch das Wasser nach oben ahnen sie, daß es darüber Licht gibt. Die schwarzen Schlieren bieten Lücken an und so reflektieren Fischschuppen, von kleinen Fischen, die doppelt so groß wie die Kinderhände sind, fleckige Abordnungen vom Sonnenlicht.

Erwachsene laufen währenddessen barfuß umher und bespritzen sich mit dem kalten Dreckswasser. Manchmal bleiben sie stehen, fassen sich ans Kinn und sagen wichtige Dinge.

Zwischendrin beugt sich einer zu den Kindern, zu einem Kind, sagt „Na du!“, fährt mit einer Hand unter dessen Kopf und hebt es aus dem Wasser. Nun ist Zeit Vorräte an Luft zu holen, und die Sonne zu sehen. Auch versucht das Kind sich das Gesicht des Erwachsenen einzuprägen. Es weiß nicht ob und schon gar nicht wann er wiederkommt. Weiß also nicht, wie lange die abgestandene Luft in der Lunge ausreichen muß.

Diszipliniert unternimmt das Kind Übungen für die Nackenmuskulatur. Nach genau einem Jahr vermag es aus eigener Kraft seinen Kopf aus dem Wasser zu heben. Nun gibt es jeden Tag frische Luft und Sonne. Bald sitzt das Kind, bald steht es auf, rennt, kann mit einem strammen Schlag des Fußspannes auf die Wasseroberfläche andere bespritzen und dabei lachen.

Ist kein Erwachsener in der Nähe sprechen die Einjährigen miteinander. Manche sagen, daß sie schwarze Wasser nur als Spielgerät kennen, daß sie von Geburt an getragen wurden, jeden Tag atmeten, die Sonne sahen, gar von Tüchern umwickelt waren. Das Kind aus dem Schwarzwasser gibt nun mit seinen Nackenmuskeln an, aber das getragene Kind sagt: Habe ich auch, auf jeden Fall, fühl mal, aber wasche dir erst die Pfoten. Es stimmt. Wenn sich das Schwarzwasserkind allein fühlt, blickt es zu den anderen nach unten, flüstert: Habt Geduld.

im Leib

blinken vier fünf Kinos

Kindheit Frauen Weltpolitik

Sport Weltende starrt ein

menschenleeres Foyer

jedes Kino verwendet Strom Gefühle

widerstrebende Gefühle Furcht Demut

Gelassenheit genußvolle

Bosheit Grashalme

oft fehlt die Demut fehlt Gelassenheit

die Wiese brennt

kein Problem sagt die Wiese

Wurzeln bleiben die

Hubschrauber der Lügner

patroullieren

Millionäre sagen zehn Millionen

sind nun wirklich nicht viel

du frißt zuviel wer wird eines

Tages deinen Kopf in beide

Hände nehmen

dich an dich erinnern

Der Mann der aus dem Regen kam

Ich war auf dem Land bei meinen Eltern, hatte selbstredend Sportsachen dabei. Um laufen zu können, brauchte ich wenigstens zwei Stunden Abstand zu einer Mahlzeit, nicht einfach, wenn man sich bei den Eltern aufhält. Manchmal half nur der Morgen-Nüchternlauf.

Manchmal frühstückten wir ausgiebig, daß mittags niemand Hunger hatte, nicht einmal Appetit. „Udo, ich mache dir ne Schnitte und wir essen abends warm.“ So konnte ich bspw. 14 Uhr gut laufen.

Das Dorf umgeben viele Straßen und Feldwege. Mit dem Fahrradtacho maß ich einige Strecken aus. Von unserem Tor aus bis Lipperts in Bremenhain sind es genau drei Kilometer. Nach Hähnichen rüber, dann Spree, Dunkel-häuser, Bremenhain, unser Tor genau 17 Kilometer… usw.

Einmal teilte ich zwei Kilometer mit einem weiteren Läufer, der wie aus dem Nichts aufgetaucht und etwas jünger als ich schien. Wir sprachen kurz, verab-redeten uns für den nächsten Tag, 12 Uhr, am Nordrand des Dorfes, dort wo dieser Pfahl mit den Wanderwegpfeilen steht. Wir planten eine Runde, nicht allzu weit, einfach ne solide 15.

Tags drauf ist es sonnig, sommerlich warm. 11 Uhr wird die Sonne verdeckt. Es bleibt warm. 11 Uhr 30 setzt ein Landregen ein. 11 Uhr 55 mache ich mich auf den Weg zum Nordrand des Dorfes, erreiche die verabredete Stelle, bereits durchnäßt. Schlenkere mit den Armen, hüpfe etwas zur Erwärmung. Es fehlen 30 Sekunden bis 12 Uhr. Ob der Kollege Regen mag? Noch 20 Sekunden. Was tue ich, falls er nicht kommt: Die Runde alleine laufen, ich ziehe mich doch nicht umsonst um. Richtig frisch fühle ich mich nicht, ich hab Hunger. Noch 8 Sekunden. Normalerweise kann man den Weg, auf dem ich den Läufer erwarte, 800 Meter entlang bis an den Wald blicken. Jetzt ist er von dichten, grauen Regentüchern verhangen. Noch 7 Sekunden bis 12 Uhr. Eine Silhouette schält sich im Regen aus diesem. Etwas bewegt sich. Scheint ein Läufer zu sein. Der erreicht mich genau um Zwölf. Da bin ich bereits einige Schritte nach Norden unterwegs, habe Fahrt aufgenommen, damit er nicht abstoppen muß. Er ist wie ich durchnäßt, grüßt freundlich, ich sage: „Was willst‘n machen?“

„Paar Tempowechsel brauche ich.“

Wir laufen. In den Waldweg wurde Schotter gedrückt, indess unsere Schritte leicht genug sind, darüber hinweg zu schweben. Abwechselnd zeigen wir auf die nächste Kurve oder einen entfernten Baum, sprinten bis dahin.

Nach vier Kilometern laufen wir aus dem Regen hinaus in die Sonne, in einen Lichthof und trocknen rasch. Zwei Kilometer später geraten wir in den nächsten Regen, Regen aus grauen dichten Wellen, keine Tropfen diesmal, wir laufen durch Wasser.

Zwischen den Sprints unterhalten wir uns über Herkunft, bestrittene Wett-kämpfe, andere Läufer und Trainer, die wir kennen. Beide Geschwindigkeiten Sprint und Grundtempo liegen uns, unsere Niveaus sind wohl sehr ähnlich. 12 km sind schnell vorüber. Er biegt ab und ich laufe Richtung meines Dorfes. – Ich sehe ihn noch heute, wie er auf die Sekunde genau, aus den Regenvorhängen steigt, ganz sacht, rhythmisch. –

Zuhause angekommen, bin ich ganz schön kaputt,

habe keinen Hunger mehr.

„Die Fridays haben Smartphones!“

„Diese Fridays for Future-Kinder haben Smartphones und beim Googlen verbrauchen die ooch Strom und das wissen die gar nicht!“

Sollte man auf so etwas antworten? Die „Ängste“ des Gegenübers ernst nehmen? In Counterspeach gehen? D‘accord gehen? Ihm auf die Senkel oder viral gehen? Oder das einzig sinnvolle tun: Aufs Klo gehen?

Ich hörte diese wahrlich unendliche Weisheit während der Pause meiner Sololesung von einem jungen Mann, der wenn nicht intelligent, so doch pfiffig wirkte und diesem Eindruck mit seinen Worten spottete… er war Mitte Dreißig, also deutlich zu jung für die neumodische Altmänner – Not? – Ignoranz.

Ich antwortete gar nicht, dachte eher an den zweiten Teil meiner Lesung, wollte niemanden vertreiben, meine Texte sind Zuhörer wert.

Was lag/liegt mir aber zu seinen Worten auf der Zunge?

„Diese Fridays for Future-Kinder haben Smartphones und beim Googlen verbrauchen die ooch Strom und das wissen die gar nicht!“

Ja, nein, ja und nein:

„die haben Smarphones“ – ja

„die googlen“ – nein, Google ist nicht die einzige Suchmaschine

„die verbrauchen Strom“ – ja

„und wissen das gar nicht“ – nein, die wissen das ganz sicher!

Die

wissen

genau,

was du auch weißt, aber sie haben noch den Mut und die Not hinzusehen! Die sind 40 Jahre jünger als ich und 15 Jahre jünger als du. Mit ihren Smartphones telefonieren sie mit Freunden und Familie, mit einer Suchmaschine finden sie Studien zum Klima, zur Wirtschaft, zu Gier, zu verbundsteingemusteter Ver-wahrlosung und Versagen, und Gegenstudien. Sie begreifen, was sie finden.

Ich

könnte es womöglich schaffen, vor den Kämpfen um lebenstaugliche Orte zu sterben, du nicht, und sie ganz sicher nicht.

Erstmal kämpfen Arme gegen den unteren Rand der Mittelschicht, gegen gebuchte Sicherheitsdienste. Wie es ausgeht, sieht man heute bereits an der Südgrenze Europas.

Dann wird es verwirrend, bspw. wenn Sicherheitsdienste begreifen, daß sie a) die nächsten sind, b) sie selber doch einige Fähigkeiten, also Möglichkeiten haben. Was aber damit anfangen?

Wie rasch nähert sich die Zukunft?

Tag für Tag…

Unsere Kinder sollen es einmal besser haben, hieß es früher. Heute eher:

Kinder sollen so borniert und selbstverliebt verschwenden wie wir.

Vielleicht geht es gut? Kann ich hellsehen?

Nein.

In europäischen Flüssen gibt es wieder Fische, in der Sahelzone werden Millionen Bäume gepflanzt…

aber 600 oder 6000 Wissenschaftler beschreiben und belegen Kippunkte.

Zwei bestreiten sie. Gut, halte ich mich an die beiden. Ihre Nachricht ist weniger bedrohlich. Mach ich es, wie die Bewohner im Ahrtal: Die bauen ihre neuen Häuser auf den Platz der weggespülten. Es war schließlich eine Jahr-hundertflut, also sind 98 Jahre Zeit bis zur nächsten… „Außerdem haben wir ein Recht auf Heimat, ein Recht auf freie Wohnortwahl!“

Wie jene, die Mitte der 90er zwischen Dresden und Riesa ihre Einfamilien-häuser ins Flußbett der Elbe bauten, mit Zaun, Garage und schöner Tapete. Und bald kam die Elbe höchstselbst, sich diese Pracht anzusehen, relativierte Zaun und Türschloß, ging bedächtig staunend, Hande auf dem Rücken, durch die Räume, machte anerkennend „Hmm.“, sagte: „Sehr schön das alles, wer wählte denn diese graublaue Sitzgarnitur mit den diagonalen lila Streifen und der Presspappe darunter aus?“ – „Meine Frau.“ – „Wirklich sehr schön“, zur Frau. Zum Mann: „Und nun der Keller?“ – „Gerne.“ Im Keller: „Was sind diese drei Schränke?“ – „Das sind Kühltruhen. Falls die Koofhalle mal zu hat.“ – „Hat die manchmal zu?“ – „Jeden Sonntag.“ – „Und der Schrank hier?“ – „Unsere Ölheizung.“ – „Okay, die nehm ich mit… ah, noch etwas: Haben Sie Kinder?“ – „Sohn 22, Tochter 18 Jahre!“

„Fein. Besitzen die auch Smartphones?“ – „Sicher.“

„Und wissen die beiden auch, daß Smartphones Strom verbrauchen?“

„Wieso? Die hamm Akku!“