Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben.
Oft fährt er mit dem eigenen Fahrzeug viele Kilometer bis zur jener Stelle, an der seine Arbeit gibt. Fährt zwischen Eiligen, noch Müden, zwischen Cholerikern und Egomanen auf glatten Straßen. Kommt er ungeschoren, unverletzt an, ist schon viel geschafft. Bis 17 Uhr erledigt, vollbringt er nun viel Arbeit, allein oder mit anderen gemeinsam.
Ein Chef, ein Besitzer, ein Abteilungs- oder Teamleiter nimmt sich diese Arbeit und verkauft sie mit reichlich Marge weiter. An einen Abnehmer, bzw. Kunden.
Der Arbeitgeber steigt derweil in sein Auto und fährt mit dem hinterlassenen Versprechen am nächsten Tag wiederzukommen, nach Hause. Zwischendrin hält er an einer Kaufhalle, einem Supermarkt, einer Mall und erwirbt einige Pizzen und paar Tüten Gummibärchen für die Kinder.
So geht es tagein tagaus, der Arbeitgeber ist zufrieden, seine Arbeit gibt er gern, mit Kunden um Preise verhandeln liegt ihm nicht, gut, daß das der Chef macht.
Aber irgendwann läd der Chef zu einer Feier bei sich zuhause. Der Arbeitgeber zieht sich ein sauberes Hemd und die makellos weißen Turnschuhe an und als er die Adresse erreicht, fällt ihm der Unterkiefer runter: Was für ein Anwesen! Und der verzinkte Zierzaun. Es gibt eine Führung. Er und andere, die ihre Arbeit beim Chef abgeben, durchschreiten eine riesige Garage, in der drei Autokarossen blinken. Ein riesiger Park hinterm Haus. Dann zurück zur Terasse mit dem 12 Tausend Euro teuren Barbecue-Grillautomat. Der Kollege aus der Kantine steht bereit, in Handschuhen mit gestreifter Weste, hebt den Deckel an und es duften, Schwein, Rind, Kalb, Fisch, Paprikaschoten.
Der Arbeitgeber fährt leicht angetrunken nach Hause und grübelt dabei. Irgendwas überfährt er, eine Katze, ein Marder, ein Waschbär, wer weiß, er hält nicht an. Den Verdacht, daß, sich die Arbeit anderer nehmen, mehr einbringt, als sein Arbeit hinzugeben, bekommt er nicht beiseite geschoben. Er und seine Frau bezahlen ein Drittel ihres Geldes für die Miete, dann das Auto, Essen, Kleidung, Kinder, zwei Urlaube – alles weg. Die Frau fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie sagt: Das tut mir gut und was, wenn wir noch ein Auto bräuchten?
Und der Chef war heute scheißfreundlich und gutgelaunt am Grill. Sonst beim Arbeitnehmen, zieht er gern mal Fresse und mault herum, als wäre ihm die Arbeit nicht genug oder zu teuer. Die Löhne scheinen ihm persönlich sehr weh zu tun. Hat er auch schonmal so gesagt.
Aber nun sah der Arbeitgeber, was beim Chef an Geld drüber bleibt? Oder hat ihm jemand 100 000 geschenkt, wer?
Einmal hatte ein Arbeitgeber die Anfahrt zum Arbeitgeben nicht überlebt, ein neuer Arbeitgeber, ein starker Raucher, wurde eingestellt. Der hatte eine Selbständigkeit hinter sich. Gern gingen beide Arbeitgeber hinter die Halle, um dem überquellenden Aschenbecher frische Kippen hinzuzufügen. Der Neue berichtete noch ergriffen und etwas nervös von seiner kleinen Firma:
„Also ich war Geber und Nehmer gleichzeitig. Anfangs machte meine Frau die Buchhaltung, aber wir kriegten uns immer in die Haare. Sie rechnete immer zuviel Gewinn und damit wuchsen die Abgaben, das machte mich wahnsinnig. Ich schmiss sie raus und sie brüllte: Falsch, ich gehe!
Dann stapelte sich die Post von Kommune, Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Lieferanten, Stromversorger, Abfallbeseitigung, Autohaus, Wasserwerk, Abwasser… dann hab ich alles Geld abgehoben und bin drei Wochen auf die Kanaren, dann habe ich frisch gebräunt zurückgekehrt den Laden zu gemacht.“
„Naja,“ sagte der andere, „hier gibt es dafür mindestens vier Leute im Büro, Akquise, Finanzen, zwei für EU-Förderungen… „Einer sagte mir, wir kriegen soviel Kohle von der EU, wir bräuchten die Maschinen eigentlich gar nicht mehr anschalten.“
Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben. Im Fernsehen beobachtet er Streiks für mehr Lohn. „Kann mir nicht vorstellen, daß bei uns jemand sowas mitmacht“, sagt er zur Frau. Dann hat er doch einen Unfall im Morgennebel. Auto im Arsch, er leichtes Schleudertrauma. Versicherung hält ihn hin. Das Gutachten scheint unvollständig. Aber ein neues Auto muß her. Na gut, kein Urlaub dieses Jahr. Kinder reisen mit den Großeltern. Fahren sie beide Fahrrad, nehmen ne Decke und zu Essen mit und vögeln mal im Wald. War eigentlich schön…