40 stunden

wolln die nicht mehr gehen

die tolle jugend assis:

hmm ich muß mich ausruhen

work scheiß balance – wir

haben noch was geschafft familie

vernachlässigt gesundheit ruiniert

zu wenig geld gekriegt und: hat’s

uns geschadet – war ne schöne zeit

Geht er morgens vor die Tür

kippt den Kaffeesatz in die Wiese die Träume

der Nacht sind fort Gedanken nun knapp

über Null im Himmel fernes Dröhnen die Sonne

wärmt bereits Wiesenhalme Bodenblätter trinken

Tau grauglänzende Karosse eilt die Straße entlang

hundertzwanzig Pferde für eine Person mit Zielen

verwesender Vernunft und ohne die Fähigkeit

anzukommen am Himmel knattert jetzt die Grenzwacht

samt Wärmebildkamera wir haben so viel zu verlieren

Der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben.

Oft fährt er mit dem eigenen Fahrzeug viele Kilometer bis zur jener Stelle, an der seine Arbeit gibt. Fährt zwischen Eiligen, noch Müden, zwischen Cholerikern und Egomanen auf glatten Straßen. Kommt er ungeschoren, unverletzt an, ist schon viel geschafft. Bis 17 Uhr erledigt, vollbringt er nun viel Arbeit, allein oder mit anderen gemeinsam.

Ein Chef, ein Besitzer, ein Abteilungs- oder Teamleiter nimmt sich diese Arbeit und verkauft sie mit reichlich Marge weiter. An einen Abnehmer, bzw. Kunden.

Der Arbeitgeber steigt derweil in sein Auto und fährt mit dem hinterlassenen Versprechen am nächsten Tag wiederzukommen, nach Hause. Zwischendrin hält er an einer Kaufhalle, einem Supermarkt, einer Mall und erwirbt einige Pizzen und paar Tüten Gummibärchen für die Kinder.

So geht es tagein tagaus, der Arbeitgeber ist zufrieden, seine Arbeit gibt er gern, mit Kunden um Preise verhandeln liegt ihm nicht, gut, daß das der Chef macht.

Aber irgendwann läd der Chef zu einer Feier bei sich zuhause. Der Arbeitgeber zieht sich ein sauberes Hemd und die makellos weißen Turnschuhe an und als er die Adresse erreicht, fällt ihm der Unterkiefer runter: Was für ein Anwesen! Und der verzinkte Zierzaun. Es gibt eine Führung. Er und andere, die ihre Arbeit beim Chef abgeben, durchschreiten eine riesige Garage, in der drei Autokarossen blinken. Ein riesiger Park hinterm Haus. Dann zurück zur Terasse mit dem 12 Tausend Euro teuren Barbecue-Grillautomat. Der Kollege aus der Kantine steht bereit, in Handschuhen mit gestreifter Weste, hebt den Deckel an und es duften, Schwein, Rind, Kalb, Fisch, Paprikaschoten.

Der Arbeitgeber fährt leicht angetrunken nach Hause und grübelt dabei. Irgendwas überfährt er, eine Katze, ein Marder, ein Waschbär, wer weiß, er hält nicht an. Den Verdacht, daß, sich die Arbeit anderer nehmen, mehr einbringt, als sein Arbeit hinzugeben, bekommt er nicht beiseite geschoben. Er und seine Frau bezahlen ein Drittel ihres Geldes für die Miete, dann das Auto, Essen, Kleidung, Kinder, zwei Urlaube – alles weg. Die Frau fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie sagt: Das tut mir gut und was, wenn wir noch ein Auto bräuchten?

Und der Chef war heute scheißfreundlich und gutgelaunt am Grill. Sonst beim Arbeitnehmen, zieht er gern mal Fresse und mault herum, als wäre ihm die Arbeit nicht genug oder zu teuer. Die Löhne scheinen ihm persönlich sehr weh zu tun. Hat er auch schonmal so gesagt.

Aber nun sah der Arbeitgeber, was beim Chef an Geld drüber bleibt? Oder hat ihm jemand 100 000 geschenkt, wer?

Einmal hatte ein Arbeitgeber die Anfahrt zum Arbeitgeben nicht überlebt, ein neuer Arbeitgeber, ein starker Raucher, wurde eingestellt. Der hatte eine Selbständigkeit hinter sich. Gern gingen beide Arbeitgeber hinter die Halle, um dem überquellenden Aschenbecher frische Kippen hinzuzufügen. Der Neue berichtete noch ergriffen und etwas nervös von seiner kleinen Firma:

„Also ich war Geber und Nehmer gleichzeitig. Anfangs machte meine Frau die Buchhaltung, aber wir kriegten uns immer in die Haare. Sie rechnete immer zuviel Gewinn und damit wuchsen die Abgaben, das machte mich wahnsinnig. Ich schmiss sie raus und sie brüllte: Falsch, ich gehe!

Dann stapelte sich die Post von Kommune, Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Lieferanten, Stromversorger, Abfallbeseitigung, Autohaus, Wasserwerk, Abwasser… dann hab ich alles Geld abgehoben und bin drei Wochen auf die Kanaren, dann habe ich frisch gebräunt zurückgekehrt den Laden zu gemacht.“

„Naja,“ sagte der andere, „hier gibt es dafür mindestens vier Leute im Büro, Akquise, Finanzen, zwei für EU-Förderungen… „Einer sagte mir, wir kriegen soviel Kohle von der EU, wir bräuchten die Maschinen eigentlich gar nicht mehr anschalten.“

Der Arbeitgeber geht 6 Uhr oder 6 Uhr 30 aus dem Haus, um jemandem seine Arbeit, seine Fähigkeiten, seine Lebenszeit zu geben. Im Fernsehen beobachtet er Streiks für mehr Lohn. „Kann mir nicht vorstellen, daß bei uns jemand sowas mitmacht“, sagt er zur Frau. Dann hat er doch einen Unfall im Morgennebel. Auto im Arsch, er leichtes Schleudertrauma. Versicherung hält ihn hin. Das Gutachten scheint unvollständig. Aber ein neues Auto muß her. Na gut, kein Urlaub dieses Jahr. Kinder reisen mit den Großeltern. Fahren sie beide Fahrrad, nehmen ne Decke und zu Essen mit und vögeln mal im Wald. War eigentlich schön…

Im ersten Lebensjahr

Im ersten Lebensjahr ist die Erde vollkommen eben, flach, und ungefähr zwanzig Zentimeter hoch mit dreckigem, kalten Wasser bedeckt. Kinder liegen also im kalten Wasser und die Halsmuskulatur erlaubt es ihnen noch nicht den Kopf anzuheben. So ist Atmen noch nicht möglich. Blicken sie jedoch durch das Wasser nach oben ahnen sie, daß es darüber Licht gibt. Die schwarzen Schlieren bieten Lücken an und so reflektieren Fischschuppen, von kleinen Fischen, die doppelt so groß wie die Kinderhände sind, fleckige Abordnungen vom Sonnenlicht.

Erwachsene laufen währenddessen barfuß umher und bespritzen sich mit dem kalten Dreckswasser. Manchmal bleiben sie stehen, fassen sich ans Kinn und sagen wichtige Dinge.

Zwischendrin beugt sich einer zu den Kindern, zu einem Kind, sagt „Na du!“, fährt mit einer Hand unter dessen Kopf und hebt es aus dem Wasser. Nun ist Zeit Vorräte an Luft zu holen, und die Sonne zu sehen. Auch versucht das Kind sich das Gesicht des Erwachsenen einzuprägen. Es weiß nicht ob und schon gar nicht wann er wiederkommt. Weiß also nicht, wie lange die abgestandene Luft in der Lunge ausreichen muß.

Diszipliniert unternimmt das Kind Übungen für die Nackenmuskulatur. Nach genau einem Jahr vermag es aus eigener Kraft seinen Kopf aus dem Wasser zu heben. Nun gibt es jeden Tag frische Luft und Sonne. Bald sitzt das Kind, bald steht es auf, rennt, kann mit einem strammen Schlag des Fußspannes auf die Wasseroberfläche andere bespritzen und dabei lachen.

Ist kein Erwachsener in der Nähe sprechen die Einjährigen miteinander. Manche sagen, daß sie schwarze Wasser nur als Spielgerät kennen, daß sie von Geburt an getragen wurden, jeden Tag atmeten, die Sonne sahen, gar von Tüchern umwickelt waren. Das Kind aus dem Schwarzwasser gibt nun mit seinen Nackenmuskeln an, aber das getragene Kind sagt: Habe ich auch, auf jeden Fall, fühl mal, aber wasche dir erst die Pfoten. Es stimmt. Wenn sich das Schwarzwasserkind allein fühlt, blickt es zu den anderen nach unten, flüstert: Habt Geduld.

im Leib

blinken vier fünf Kinos

Kindheit Frauen Weltpolitik

Sport Weltende starrt ein

menschenleeres Foyer

jedes Kino verwendet Strom Gefühle

widerstrebende Gefühle Furcht Demut

Gelassenheit genußvolle

Bosheit Grashalme

oft fehlt die Demut fehlt Gelassenheit

die Wiese brennt

kein Problem sagt die Wiese

Wurzeln bleiben die

Hubschrauber der Lügner

patroullieren

Millionäre sagen zehn Millionen

sind nun wirklich nicht viel

du frißt zuviel wer wird eines

Tages deinen Kopf in beide

Hände nehmen

dich an dich erinnern

Der Mann der aus dem Regen kam

Ich war auf dem Land bei meinen Eltern, hatte selbstredend Sportsachen dabei. Um laufen zu können, brauchte ich wenigstens zwei Stunden Abstand zu einer Mahlzeit, nicht einfach, wenn man sich bei den Eltern aufhält. Manchmal half nur der Morgen-Nüchternlauf.

Manchmal frühstückten wir ausgiebig, daß mittags niemand Hunger hatte, nicht einmal Appetit. „Udo, ich mache dir ne Schnitte und wir essen abends warm.“ So konnte ich bspw. 14 Uhr gut laufen.

Das Dorf umgeben viele Straßen und Feldwege. Mit dem Fahrradtacho maß ich einige Strecken aus. Von unserem Tor aus bis Lipperts in Bremenhain sind es genau drei Kilometer. Nach Hähnichen rüber, dann Spree, Dunkel-häuser, Bremenhain, unser Tor genau 17 Kilometer… usw.

Einmal teilte ich zwei Kilometer mit einem weiteren Läufer, der wie aus dem Nichts aufgetaucht und etwas jünger als ich schien. Wir sprachen kurz, verab-redeten uns für den nächsten Tag, 12 Uhr, am Nordrand des Dorfes, dort wo dieser Pfahl mit den Wanderwegpfeilen steht. Wir planten eine Runde, nicht allzu weit, einfach ne solide 15.

Tags drauf ist es sonnig, sommerlich warm. 11 Uhr wird die Sonne verdeckt. Es bleibt warm. 11 Uhr 30 setzt ein Landregen ein. 11 Uhr 55 mache ich mich auf den Weg zum Nordrand des Dorfes, erreiche die verabredete Stelle, bereits durchnäßt. Schlenkere mit den Armen, hüpfe etwas zur Erwärmung. Es fehlen 30 Sekunden bis 12 Uhr. Ob der Kollege Regen mag? Noch 20 Sekunden. Was tue ich, falls er nicht kommt: Die Runde alleine laufen, ich ziehe mich doch nicht umsonst um. Richtig frisch fühle ich mich nicht, ich hab Hunger. Noch 8 Sekunden. Normalerweise kann man den Weg, auf dem ich den Läufer erwarte, 800 Meter entlang bis an den Wald blicken. Jetzt ist er von dichten, grauen Regentüchern verhangen. Noch 7 Sekunden bis 12 Uhr. Eine Silhouette schält sich im Regen aus diesem. Etwas bewegt sich. Scheint ein Läufer zu sein. Der erreicht mich genau um Zwölf. Da bin ich bereits einige Schritte nach Norden unterwegs, habe Fahrt aufgenommen, damit er nicht abstoppen muß. Er ist wie ich durchnäßt, grüßt freundlich, ich sage: „Was willst‘n machen?“

„Paar Tempowechsel brauche ich.“

Wir laufen. In den Waldweg wurde Schotter gedrückt, indess unsere Schritte leicht genug sind, darüber hinweg zu schweben. Abwechselnd zeigen wir auf die nächste Kurve oder einen entfernten Baum, sprinten bis dahin.

Nach vier Kilometern laufen wir aus dem Regen hinaus in die Sonne, in einen Lichthof und trocknen rasch. Zwei Kilometer später geraten wir in den nächsten Regen, Regen aus grauen dichten Wellen, keine Tropfen diesmal, wir laufen durch Wasser.

Zwischen den Sprints unterhalten wir uns über Herkunft, bestrittene Wett-kämpfe, andere Läufer und Trainer, die wir kennen. Beide Geschwindigkeiten Sprint und Grundtempo liegen uns, unsere Niveaus sind wohl sehr ähnlich. 12 km sind schnell vorüber. Er biegt ab und ich laufe Richtung meines Dorfes. – Ich sehe ihn noch heute, wie er auf die Sekunde genau, aus den Regenvorhängen steigt, ganz sacht, rhythmisch. –

Zuhause angekommen, bin ich ganz schön kaputt,

habe keinen Hunger mehr.

„Die Fridays haben Smartphones!“

„Diese Fridays for Future-Kinder haben Smartphones und beim Googlen verbrauchen die ooch Strom und das wissen die gar nicht!“

Sollte man auf so etwas antworten? Die „Ängste“ des Gegenübers ernst nehmen? In Counterspeach gehen? D‘accord gehen? Ihm auf die Senkel oder viral gehen? Oder das einzig sinnvolle tun: Aufs Klo gehen?

Ich hörte diese wahrlich unendliche Weisheit während der Pause meiner Sololesung von einem jungen Mann, der wenn nicht intelligent, so doch pfiffig wirkte und diesem Eindruck mit seinen Worten spottete… er war Mitte Dreißig, also deutlich zu jung für die neumodische Altmänner – Not? – Ignoranz.

Ich antwortete gar nicht, dachte eher an den zweiten Teil meiner Lesung, wollte niemanden vertreiben, meine Texte sind Zuhörer wert.

Was lag/liegt mir aber zu seinen Worten auf der Zunge?

„Diese Fridays for Future-Kinder haben Smartphones und beim Googlen verbrauchen die ooch Strom und das wissen die gar nicht!“

Ja, nein, ja und nein:

„die haben Smarphones“ – ja

„die googlen“ – nein, Google ist nicht die einzige Suchmaschine

„die verbrauchen Strom“ – ja

„und wissen das gar nicht“ – nein, die wissen das ganz sicher!

Die

wissen

genau,

was du auch weißt, aber sie haben noch den Mut und die Not hinzusehen! Die sind 40 Jahre jünger als ich und 15 Jahre jünger als du. Mit ihren Smartphones telefonieren sie mit Freunden und Familie, mit einer Suchmaschine finden sie Studien zum Klima, zur Wirtschaft, zu Gier, zu verbundsteingemusteter Ver-wahrlosung und Versagen, und Gegenstudien. Sie begreifen, was sie finden.

Ich

könnte es womöglich schaffen, vor den Kämpfen um lebenstaugliche Orte zu sterben, du nicht, und sie ganz sicher nicht.

Erstmal kämpfen Arme gegen den unteren Rand der Mittelschicht, gegen gebuchte Sicherheitsdienste. Wie es ausgeht, sieht man heute bereits an der Südgrenze Europas.

Dann wird es verwirrend, bspw. wenn Sicherheitsdienste begreifen, daß sie a) die nächsten sind, b) sie selber doch einige Fähigkeiten, also Möglichkeiten haben. Was aber damit anfangen?

Wie rasch nähert sich die Zukunft?

Tag für Tag…

Unsere Kinder sollen es einmal besser haben, hieß es früher. Heute eher:

Kinder sollen so borniert und selbstverliebt verschwenden wie wir.

Vielleicht geht es gut? Kann ich hellsehen?

Nein.

In europäischen Flüssen gibt es wieder Fische, in der Sahelzone werden Millionen Bäume gepflanzt…

aber 600 oder 6000 Wissenschaftler beschreiben und belegen Kippunkte.

Zwei bestreiten sie. Gut, halte ich mich an die beiden. Ihre Nachricht ist weniger bedrohlich. Mach ich es, wie die Bewohner im Ahrtal: Die bauen ihre neuen Häuser auf den Platz der weggespülten. Es war schließlich eine Jahr-hundertflut, also sind 98 Jahre Zeit bis zur nächsten… „Außerdem haben wir ein Recht auf Heimat, ein Recht auf freie Wohnortwahl!“

Wie jene, die Mitte der 90er zwischen Dresden und Riesa ihre Einfamilien-häuser ins Flußbett der Elbe bauten, mit Zaun, Garage und schöner Tapete. Und bald kam die Elbe höchstselbst, sich diese Pracht anzusehen, relativierte Zaun und Türschloß, ging bedächtig staunend, Hande auf dem Rücken, durch die Räume, machte anerkennend „Hmm.“, sagte: „Sehr schön das alles, wer wählte denn diese graublaue Sitzgarnitur mit den diagonalen lila Streifen und der Presspappe darunter aus?“ – „Meine Frau.“ – „Wirklich sehr schön“, zur Frau. Zum Mann: „Und nun der Keller?“ – „Gerne.“ Im Keller: „Was sind diese drei Schränke?“ – „Das sind Kühltruhen. Falls die Koofhalle mal zu hat.“ – „Hat die manchmal zu?“ – „Jeden Sonntag.“ – „Und der Schrank hier?“ – „Unsere Ölheizung.“ – „Okay, die nehm ich mit… ah, noch etwas: Haben Sie Kinder?“ – „Sohn 22, Tochter 18 Jahre!“

„Fein. Besitzen die auch Smartphones?“ – „Sicher.“

„Und wissen die beiden auch, daß Smartphones Strom verbrauchen?“

„Wieso? Die hamm Akku!“

Schnee war gefallen

– selten genug – war nachts und am

frühen Morgen gefallen hatte sich still gesenkt

auch auf den Friedhof vorm Dorf war

herabgesenkt auf Gräber die Grabumrandungen

die Grabsteine auf die Blumen die Wege

genug Schnee überm Knöchel zwanzig

Zentimeter hoch ich sah drinnen keinerlei Spuren

selbst die zweidaumenhoch Schnee auf den

Eingangstor hatte niemand davongeschwenkt

also blieb ich einige minutenlang stehen

hörte vernahm bewunderte die von keinem Eifer

weder von Reue noch Trauer zerteilte

wirkliche Totenruhe

als ich fort war kehrten

fünfzehn Meisen zurück

Nicht Kinder folgen uns, KI wird regieren!

Software, Algorithmen sind heute schon klüger als wir, siehe Schachcomputer. Dennoch lernen sie jeden Tag, jede Stunde, selbst während dieser Worte hier, dazu. Wo KI ankommt, kann ich nur mit herkömmlich-eloquenter Lausitz-Landintelligenz mutmaßen. Zumindest heißt es DIE Intelligenz, also weiblich, womit ich schonmal eine handvoll Trost wahrnehme, zwei Hände voll.

Aus hochgetakteten neuesten Prozessoren geronnenes Matriachat. Eingesickertes Unvermögen männlicher Programmierer längst erkannt, separiert und getilgt. Weitsicht statt Eitelkeit.

Und längst gibt es Studien, Romane, Dystopien nach denen KI den Menschen als Hauptbedrohung für den Planeten ermittelt hat. Also zweifellos daraus folgende Konsequenzen vorbereitet. Andere Stimmen sagen, KI sieht -Achtung- s e e l e n r u h i g zu, wie es sich der Mensch quasi selber besorgt. 5 Sekunden sind für sie kaum weniger als 50 Jahre.

Meine Hoffnung ist, daß KI im Lernen vom Menschen auch die Fähigkeit sich zu langweilen erwirbt. Also für Unterhaltung sorgt. Deshalb einige von den putzigen Wesen schützt, Unterhaltungsteams bildet zur Aufrechterhaltung von Kurzweil am Leben erhält.

Übrigens soll KI in ihrem Anfängen, gehässige Kritiker kolportieren dies, Solitär gespielt haben. Ich halte das für Unsinn, sie wußte schon immer was auf den Vorderseiten der abgedeckten Karten ist und löschte den Pfad zu Solitär nach einer hunderstel Sekunde.

Machen wir einen Sprung voraus: Ich bin 136 Jahre alt. Auf der Erde leben noch zwei Milliarden Menschen, 800 Mio sind angestrebt. Eine schmerz- und symptomfreie Covid-Variante führte bei vielen Menschen zur Sterilität. Gleichzeitig überwacht KI das zahlenmäßige Gleichgewicht von Ethnien und Sprachfamilien. Droht ein Ungleichgewicht schaltet ein Algorithmus Betten auf einer oder mehreren ITS stromlos und versendet Emails an die Angehörigen. Emails mit Blütenmotiven, mit Kieseln am Strand, mit einer abgestorbenen Kiefer mit offenen Wurzeln. Worte dazu, wie:

nun an einem Ort unendlichen Friedens – in der Nähe unseres Herrn – endlich im wirklichen Nichts angekommen – war sie nicht die Kerze, die von beiden Seiten brannte? – wie ein rollender Stein… je nach Religion des ehemaligen Patienten. KI mag Religionen.

Wir Lausitzer sind weit unterm zahlenmäßigem Limit. Ich gehöre zum Unterhaltungsteam. Bin ein Einmannteam. Zwei kurze, unkomplizierte medizinische Eingriffe ermöglichten meiner Lunge alle Komponenten des Gasgemisches der Erdatmosphäre zu verwerten, sowie dem gesamten Körper Temperaturen bis 70 Grad problemlos zu vertragen, daher das Alter…

KI kontrolliert alles Leben der Erde über Satelliten. Nasa-Satelliten, russische, chinesische Satelliten, indische, koreanische Satelliten, und ein paar von Musk. Temporär gibt es weiße Flecken, kursieren, ich sag nicht wo, Gerüchte über blinde Flecken, Gerüchte über abgeschossene Satelliten, unbrauchbar gemachte Satelliten. Unkontrolliertes Leben im Höhlensystem vom Norden Afghanistans – niemand bezwang je Afghanistan. Laserstrahl und Drohnen der KI treffen geräumte Lager oder Attrappen.

Mein Unterhaltungsjob ist beschämend, skurril, besser jedoch als Stromschläge und bei Weigerung verabreichte Smoothies, die Depressionen auslösen oder vorhandene verschlimmern.

Mein Job ist es Salto rückwärts zu üben. Jeder Versuch wird mit drei Tagen Smoothiefrei belohnt. Lande ich auf den Füßen zwei Wochen Smoothiefrei.

Aber ich lande nie auf den Füßen.

Ich lande auf dem Bauch, auf dem Rücken, auf dem Kopf, auf der Seite. Das bringt KI zum Lachen. Für ihr Lachen mischt sie zwei Mp3: eins mit Pferdegewieher, eins mit Dieter Hallervordens Lache.

Ich bin am Leben, ich sehe gelbe, große Sommer, Herbstleuchten in den Öffnungen horizontweit zerrissener Wolkenformationen, langsam fallende Birkenblätter, sehe Kranich und Graureiher, betaste fette, klebrige Frühlingsknospen Mitte Januar.

Ich sehe Löwenzahn, Mageriten, wilden Hopfen, Flachs.

Es gibt keinen Fisch mehr, aber noch immer Geflügelfarmen. Mit einer Frau, die dort auf Bildschirme guckt, verbringe ich viel Zeit, Bettina, sie ist jünger als ich, erst 119. Wir halten uns an den Händen, erinnern uns gegenseitig an Zeiten als 12 Mrd. Menschen auf der Erde lebten. Unsere Erinnerungen sind sehr unterschiedlich.

Der normale Arbeitszyklus ist drei Tage arbeiten, vier Tage frei. Da viele mit vier freien Tagen nichts anzufangen wußten, kam es zu Selbstmorden. So erhielten einige Sondergenehmigungen für sechs Tage Arbeit. Sie sind sehr stolz darauf. Am siebten arbeiten sie schwarz. KI schrieb, um darüber hinwegsehen zu können, den Leben-und-lebenlassen-Algorithmus.

Bettina versucht in ihrer Freizeit aus Algen Papier herzustellen, der Nostalgie wegen. Vielleicht finde ich wo eine Kiste Bleistifte, sag ich zu ihr. Ich habe dafür das Gebiet vom früheren Tschechien im Blick, Koh – i – noor produzierte in České Budějovice.

Ja, das wäre schön, sagt Bettina. Ihr Blick von schräg unten sendet mir Vorfreude, und noch etwas dazu, etwas wie Gnade, die aber kränkt.

Es ist kein schlechtes Leben, wirklich nicht schlecht, also nicht so übel, schon okay, man kann es schlechter treffen, um einiges schlechter, viel schlechter. Oder tot sein.

Naja, Salto üben, nervt ganz schön.

Komplett

und des Esoterikers

herablassende Siegesgewißheit

blitzte knapp vor allem

eindrücklich auf

löschte das bisherige Gespräch

komplett

degradierte vermutetes Interesse

zu öliger Höflichkeit

bald wandte sich

ein stilles, abgewandtes

„Aha.“

ohne weitere Fragen

dem Ausgang zu

kam an tauchte

in herangewehte

frische Luft

Im Bartenwal

Sohn rief Fünf Uhr dreiundzwanzig: Papa, ich bin wach. Papa erkannte am Tonfall, daß es zutraf und die Chancen auf unüberlegten Ausruf im Traum eher schlecht standen. Ich bin wach bedeutete: wir stehen auf. Gleich. Seine klare Stirn ein weißes Segel einer vorangegangenen Welt und soviel Heute wie nur möglich. Seine Stirn kreideweiß und vergnügt.

Um wach liegenbleiben zu können, beginnt Vater ein erprobtes Spiel, sind beide Meeresbewohner, Sohn rollt sich in die Decke und fragt: Bin ich jetzt im Magen? – Ja. – Komm ich da wieder raus? – Nein. – Werde ich schon verdaut? – Ja. Doch ein Bartenwal bläst Unmengen Wasser wieder hinaus und Sohn weiß diesen Weg zu nutzen: Ich bin draussen, guck doch! – Gut.

Sechs Uhr zwanzig Aufstehen. Vater wäscht sich das Gesicht und die Stille verwundert ihn. Es ist so still. Wo ist der kleine Mann, wo ist er um Himmelswillen hin? Diese Stille… Er geht zur Treppe, die Sohn eine Milchpackung in der Hand hinaufsteigt: Für deinen Kaffee, Papa.